Die oft strapazierte Formulierung von der zu Ende gehenden Ära – hier passt sie: Mit dem Abschied von der mobilen Grüngutannahme verloren viele Menschen rund um die Nienburger Kreuzkirche auch einen beliebten Gesprächspartner. Wilhelm Schlemermeyer war von Anfang an dabei. Er hat sich schon um die Grünguterfassung gekümmert, als es noch gar keinen BAWN gab.
In den ersten Jahren, ab 1993, holte Wilhelm Schlemermeyer das Grüngut von einem Platz An der Stadtgrenze. "Gartenabfälle sollten nicht mehr verbrannt werden. Damals setzte langsam ein Umdenken ein", erinnert sich der Ex-Landwirt. Organisiert wurde die Grüngutabfuhr in den ersten Jahren vom Maschinenring und der Landwirtschaft im Auftrag des Landkreises.
Als An der Stadtgrenze wilde Ablagerungen überhand nahmen, wechselte Schlemermeyer bald darauf zur Kreuzkirche. "Container ließen sich da nicht stellen, also bleib es bei meinen Gummiwagen", berichtet er schmunzelnd.
In den ersten Jahren konnten die Menschen ihre Grünabfälle noch kostenlos abgeben.Und die Mengen waren gewaltig: "Da kamen an einem Tag sechs Tonnen zusammen! Das war mit zwei Wagen gar nicht zu schaffen, wir hatten noch einen dritten im Einsatz."
Seinerzeit brauchte er einen zweiten Mann und auch der hat noch heute viele Fans bei den Selbstanlieferern an der Kreuzkirche: Nachbarsjunge Marcel Hartmann half Wilhelm Schlemermeyer immer, wenn Not am Mann war. Inzwischen ist aus dem hilfsbereiten und entsprechend beliebten »Jungen« ein gestandener Familienvater geworden. Über die Arbeit auf Schlemermeyers Grüngut-Gummiwagen kam er auch zu seinem heutigen Beruf: Marcel Hartmann ist seit vielen Jahren beim BAWN beschäftigt. Damals aber zogen Wilhelm Schlemermeyer und Marcel Hartmann die angelieferten Säcke im Akkord auf den Wagen, kippten sie aus, kassierten, gaben Quittungsmarken und Wechselgeld heraus und kümmerten sich um den nächsten »Kunden«.
Doch die Zeiten sind längst vorbei. Aus sechs Tonnen jede Woche wurden zuletzt 600 Kilo alle 14 Tage. "Kostendeckend war das nie", weiß Wilhelm Schlemermeyer, der als Kreistagsmitglied auch zum Verwaltungsrat des BAWN gehört. "Daran haben auch die Gebühren nichts geändert. Aber inzwischen klaffen Kosten und Nutzen so weit auseinander – das ist nicht mehr vertretbar."
Die Biotonne setze sich immer mehr durch, sie sei sinnvoll und bequemer als die Selbstanlieferung. "Aber der Rückgang liegt auch an anderen Gärten", ist der »Grüngut-Profi« überzeugt: "Die Leute wollen heute was Pflegeleichtes. Kies, Schotter und kurzen Rasen statt schöner alter Bäume." Das bedauert der ehemalige Landwirt und Jäger: "Wenn ich mir manche Gärten so angucke – da frag ich mich schon, wo das Umweltbewusstsein dieser Leute ist."
Nicht geändert hat sich bis zuletzt aber die soziale Komponente seiner Arbeit. "Manche alten Leutchen schoben ein Wägelchen vor sich her, da waren zwei, drei Tüten drin. Die wollten vor allem einfach mal erzählen." Mit vielen der Kreuzkirchen-Anwohner war Wilhelm Schlemermeyer inzwischen per Du, kannte ihre Geschichten. Manche kamen jeden Abfuhrtag, zuverlässig wie ein Uhrwerk, auch noch mit 86. Aber irgendwann kamen sie dann nicht mehr. Statt dessen vielleicht die Tochter, extra aus Bremen angereist, um den verwaisten elterlichen Garten in Schuss zu bringen. Langweilig wird dem passionierten Lokalpolitiker nach dem Ende der »Grüngut-Ära« aber nicht werden: In der Politik ist immer genug zu tun, zuhause sowieso und die kleine Enkelin hält die Schlemermeyers jung und auf Trab.